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Interview mit Christian Kreienbühl

Interview mit Christian Kreienbühl

Hier ein interessantes Interview mit dem bekannten Schweizer Spitzenmarathonläufer und Olympiateilnehmer Christian Kreienbühl (Bestzeit Marathon 2:13:57 h, Halbmarathon 1:04:21 h) zum Thema EM 2018, Training, Laufen etc.

(gesehen bei Albis Reisen, Laufreisenspezialist)

 

    Rund um die EM 2018 in Berlin

  1. Herzliche Gratulationen zur EM-Qualifikation in Berlin! Läuft alles nach Plan?
    Vielen Dank! Nachdem ich während der gesamten Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Rio mit Schmerzen in der Achillessehne kämpfte und als Preis dafür nachher 8 Monate Laufpause einschalten musste, bin ich nun endlich seit einigen Wochen wieder 100% schmerzfrei (laufend) unterwegs! Ich bin natürlich (noch!) nicht wieder in der Form meines Lebens, aber es läuft – im wahrsten Sinne des Wortes – soweit wieder alles nach Plan. Noch sind es gut 10 Wochen bis zum EM-Marathon und nach dem Auf und Ab freue mich über jede schmerzfreie Lauf-Einheit – und noch mehr über jene, bei denen ich merke, wie mein Körper immer näher an die alte Form findet.
  2. 6 Schweizer Einzelläufer dürfen starten, 3 zählen für die Mannschaftswertung. Wie sieht das aktuelle Ranking im Team aus?
    Natürlich ist Tadesse Abraham (Halbmarathon-Europameister und Marathon-Schweizerrekord-Halter) die Nummer Eins im Team. Wenn wir ihn jedoch so nennen, dann korrigiert er uns und schwört uns darauf ein, dass wir EIN Team sind – ohne internes Ranking. Und er hat Recht: Am Schluss zählen die drei Schnellsten pro Land, egal wer es ist. So war es auch in Amsterdam, als wir Team-Europameister (Halbmarathon) wurden: Ich zum Beispiel hatte einen schlechten Tag, aber schlussendlich war das egal, denn die anderen Schweizer liefen super und wir durften alle sechs zusammen auf dem Podest die Nationalhymne singen.
  3. Ab wann kein Velo mehr?
    Nach der Verletzung habe ich meinen Bewegungsapparat über Monate hinweg daran gewöhnt, wieder täglich zwei Mal laufen zu können. Neben Langlauf-, Mountainbike- und Rennrad-Einheiten steigerte ich parallel ganz langsam mit viel Geduld das Laufpensum, so dass ich nun hoffentlich einen kompletten Zyklus (14 Wochen) laufend absolvieren kann. Die beiden Velos und die Aqua-Running-Veste stehen darum zum Glück nur noch als «Backup» im Keller.
  4. Wie gestaltest du die letzten Wochen des Trainings? Training mit den anderen Nationalmannschafts-Kollegen?
    Meine Vorbereitung für die EM besteht aus 3 Trainingslagern à je 4 Wochen und 2 Wochen «Tapering» am Schluss. Für die Trainingslager reise ich ins Engadin, wo ich die für mich persönlich perfekten Trainingsbedingungen gefunden habe. Im letzten Block (Juli) wird ein grosser Teil der Schweizer Marathon-Nationalmannschaft dabei sein.
  5. Was sagt dir die Sportmedizin, wie viel Leistungssteigerung bringt dir das viele Trainieren in der Höhe in Minuten? Wie häufig kontrolliert dein Sportarzt und Coach Rubén Oliver die Blutwerte und gibt es aus diesen Schlüssen andere neue Trainingsformen (z. B. Long Jogs, Tempo etc.)?
    Man sollte sich das nicht so «wissenschaftlich» vorstellen. Wir haben zwar vor einigen Jahren, als ich die ersten Male auf der Höhe trainierte, meine Blutwerte regelmässig kontrolliert (zum Beispiel Blutvolumen), aber diese Messungen sind ungenau. Auch die Studienlage ist meines Wissens unklar. Seit 2010 werde ich bis zur EM 66 Wochen im Engadin verbracht haben. Dazu kommen Höhentrainingslager in Südafrika, Teneriffa und Kenia. Subjektiv weiss ich daher, dass mir die Trainings in der Höhe zwar schwerer fallen («Sauerstoffmangel»), ich jedoch nach einem solchen Aufenthalt in toller Wettkampf-Form bin.
  6. Machst du Trainings auf dem Laufband?
    Ich bin kein Laufband-Läufer und laufe höchst selten im Winter bei Glatteis-Gefahr auf dem Laufband. Viel lieber geniesse ich das Draussen-sein mit all seinen Facetten und die Natur mit all ihren Elementen.
  7. Deine Lieblingsstrecke im Engadin?
    In den letzten Jahren wohnte ich jeweils in La Punt-Chamues-ch. Von dort aus führt in Richtung Süd-Ost das Val Chamuera. Ich liebe dieses Tal. Es geht zwar stets bergauf, dafür ist es äusserst abwechslungsreich. Am Anfang ist es eng, felsig, rau und verwinkelt. Weiter oben öffnet es sich dann, man kommt an der imposanten Alp Serlas vorbei und später bedecken es die schönsten Bergwiesen. Am Abend ist man Mutterseelen-allein – oder man trifft auf Gämse, Murmeltiere, Greiff-Vögel, Schafe, Kühe, Rehe und Steinböcke. Ich kenne viele der Seitentäler im Engadin (hier habe ich sie «dokumentiert»: https://ckr.ch/engadin/ ,aber das Val Chamuera hat im Gegensatz zu allen anderen einen eigenen Charakter – etwas Mystisches. Meine Lieblingsrunde ist somit ein ca. 30km Trailrun mit ca. 1500 Höhenmetern: La Punt-Chamues-ch – Val Chamuera – Alp Serlas – Alp Prüna – Fuorcla Muragl – Lej Muragl – Fuorcla Val Champagna – Val Champagna (ein weiteres, tolles Tal!) – Camping Flugplatz Samedan – La Punt-Chamues-ch.
  8. EM, 12. August, Hochsommer, mit 22 bis 30 Grad ist zu rechnen. Was genau verändern diese Aussichten auf deine Trainings-/Wettkampfplanung? 
    Die Meisterschaften (EM, WM, Olympia) sind immer im Sommer. Neben der Verpflegung ist die Kühlung des Körpers wichtig. Ich kriege alle fünf Kilometer nicht nur Verpflegung, sondern ebenfalls ein zweites Fläschchen mit «Liquid-Ice». Dies ist eine chemische Flüssigkeit, die man über den Körper schüttet. Ähnlich wie «Wundbenzin» verdampft diese dann langsam und erzeugt ein kühlendes Gefühl auf der Haut. Das Wichtigste ist jedoch, dass man mit angepassten Erwartungen an das Rennen geht. In der Hitze wird man keine persönliche Bestzeit laufen. Dies muss man von Anfang an berücksichtigen und bereits ab dem Startschuss langsamer laufen als bei idealen Bedingungen im Frühling oder Herbst.
  9. Verrätst du uns dein persönliches „Pasta-Rezept“, das du liebst und schnell zubereitet ist? 
    Es ist zwar nicht Pasta – und schon gar kein Rezept – aber der Geheim-Tipp unter den Schweizer Elite-Läufern als letzte Mahlzeit vor dem Wettkampf ist: Stocki. Manchmal ist es schwierig am Wettkampftag das Richtige zu essen, vor allem im Ausland. Stocki-Pulver kann man mit heissem Wasser anrühren; das kriegt man in jedem Hotelzimmer hin. Kartoffelbrei besteht hauptsächlich aus Kohlehydraten und ist leicht verdaulich. Also perfekt…
  10. Du führst akribisch Buch über alle deine Trainings: Nach wie vielen Kilometern im Gelände oder auf Asphalt werden die Schuhe weggeworfen?
    Es gibt ja mittlerweile Tools im Internet, die einem das Buchführen abnehmen. Alle meine Trainings veröffentliche auf der Trainings-Plattform Strava: www.strava.com/pros/ckr Diese Website schreibt mir automatisch eine Email, sobald ein Paar Schuhe die 600km-Marke erreicht habt. Ein leichter Schuh hat damit bald sein Lebensende erreicht – ein eher gut gedämpfter Schuh macht nochmals 100-200km. Zu stark abgelaufene Schuhe können im schlimmsten Fall zu Fehlbelastungen oder gar zu Verletzungen führen (mein grösstes «Berufs-Risiko»), darum leiste ich mir diesen Luxus und wechsle die Schuhe grundsätzlich eher früh. Ausserdem erhalte ich alle meine Laufschuhe von adidas als Teil eines Material-Sponsorings.
  11. Du nimmst zum x-ten Mal an einem Grossanlass teil. Nimmst du die Vorbereitung gelassener? Wie äussert sich das?
    Ich nehme es tatsächlich gelassener. Das hat nicht nur mit der Erfahrung, sondern wohl mit dem Alter generell zu tun… Früher habe ich mich um viele kleine Dinge gesorgt – oder gar um die «Konkurrenten». Heute weiss ich, dass es nur wichtig ist seinen eigenen, persönlichen Weg zu gehen. Ebenso habe ich erfahren, wie es ist, wenn man in der Vorbereitung vom Weg abkommt – ein Umweg jedoch genauso zum Ziel führen kann. Schlussendlich wird der Tag-X kommen und es ist das einzige, was zählt, dass man den Weg dorthin geniesst und dann alles gibt, was zu jenem Zeitpunkt in einem steckt.
  12. Wird für dich der Druck grösser, weil man mit Tadesse Abraham einen Top-Läufer im Team hat und dadurch vielleicht sogar um eine Top-Platzierung im Team läuft?
    Im Gegenteil: Das Rampenlicht wird auf Tadesse gerichtet sein – daneben können wir anderen Mitglieder des Teams in aller Ruhe unser Ding durchziehen. Und dass wir als Team nochmals eine derartige Medaillen-Sensation schaffen könnten wie in Zürich und in Amsterdam, ist auf dem Papier anhand der Startlisten wieder komplett unrealistisch…
  13. Wann macht Laufen am glücklichsten?
    Gegenfrage: Warst Du NACH dem Laufen jemals weniger glücklich als VOR dem Laufen?
  14. Vielen Dank Christian und viel Erfolg auf dem Weg nach Berlin!
    Vielen Dank für die guten Wünsche und die spannenden Fragen!
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